Hybrides Arbeiten

Orts- und zeitunabhängig erfolgreich zusammenarbeiten. Worauf es dabei ankommt.

Es war mitten in der Podcastaufnahme zu Hybrid Performing Organisations mit Nora Berg-Krebs & Henning Niehues, als mir ein Licht aufging: Henning sprach von asynchroner Zusammenarbeit nicht nur in Bezug auf den Ort, sondern auch auf die Zeit. Plötzlich realisierte ich, dass meine einigermaßen bunte berufliche Laufbahn mich ziemlich perfekt auf das vorbereitet hat, was jetzt als hybride Zusammenarbeit so neu zu sein scheint. Bingo!

Zugleich wurde mir sehr klar, warum in der hybriden Zusammenarbeit für manche Menschen eine mehr oder weniger große Herausforderung steckt. Wie sich diese Herausforderung erfolgreich annehmen lässt, darum geht es in diesem Artikel. 

Hybrides Arbeiten verändert die Art und Weise der Interaktionen grundlegend

In der Möglichkeit, gut zusammenzuarbeiten ohne dabei am gleichen Ort und zur gleichen Zeit zu arbeiten, steckt ein ungeheures Potenzial für uns alle. Es lohnt sich daher, diese Herausforderung anzunehmen, davon bin ich absolut überzeugt. Investoren in Büroflächen mögen das anders sehen, aber ich bin sicher, auch die werden kreative Lösungen finden. In diesem Artikel versammle ich daher Wissen und Impulse dafür, wie sich hybrides Arbeiten in Unternehmen erfolgreich etablieren lässt. 

„Alle wieder zurück ins Office“ funktioniert schlicht nicht, soviel ist bereits klar. Die Arbeitswelt der Zukunft wird hybrid sein. Von der Pandemie unverhofft in die Zukunft katapultiert, stellten die meisten Unternehmen fest, dass die hybride Zusammenarbeit in der Pandemie besser klappte als gedacht - obwohl viele Beschäftigte im Homeoffice neben der Erwerbsarbeit noch mit Care-Arbeit belastet waren.

Was wir auch verstanden haben: Es gibt Mitarbeiter:innen, die gehen lieber ins Büro, als remote zu arbeiten und Menschen, die lieber im Homeoffice arbeiten - oder ganz woanders. Dazu kommen Menschen, die in ihrem individuellen Arbeitsmodell gern beides oder alles drei kombinieren – und zwar durchaus zu verschiedenen Zeiten mit unterschiedlichen Anteilen.

Das hat vielfältige Gründe: Extros vs. Intros, die jeweilige Wohnsituation, der Zeitaufwand für den Weg ins Büro, die Frage, ob sich diese Zeit sinnvoll nutzen lässt, gesundheitliche und ökologische Aspekte, Kompatibilität mit anderen Lebensbereichen oder die Attraktivität der Räumlichkeiten (insbesondere im Hinblick auf die Frage: Wie gut kann ich im Büro konzentriert arbeiten). 

„Heimat ist da, wo ich verstehe und verstanden werde“, stellte Karl Theodor Jaspers sehr treffend fest. In ähnlicher Weise ließe sich für die Arbeitswelt konstatieren: „Mein Arbeitsplatz ist da, wo ich aktuell das beste Umfeld für meine Aufgaben und mein persönliches Leben finde.“ 

Losgelöst von Raum & Zeit

Was jetzt zählt ist die Verbundenheit durch Verabredungen & Vision

Es kommt nicht darauf an, wie oft einzelne Personen in den zentralen physischen Räumlichkeiten einer Organisation – also im “Office” sind, sondern 

  1. Wie klar die Arbeitsabläufe sind und auf welche Verbindlichkeiten sich alle geeinigt haben. 
  2. Wie viel Verbundenheit und Vertrauen im Team besteht – durch geteilte Werte und eine gemeinsame Vision.
  3. Wie gut asynchrone Kommunikation funktioniert – auch über Persönliches.
  4. Welchen Rhythmus es gibt, in dem das ganze Team räumlich zusammenkommt – zum Arbeiten und zum Socialising. Das kann auch nur alle paar Monate der Fall sein. 
  5. Wie unterstützend die im Unternehmen zur Verfügung stehenden Tools zur Zusammenarbeit wirken.
    Seitenbemerkung zu den Tools: Manche Mitarbeiter:innen sind glücklich, wenn es nur ein Tool für alles gibt, andere lieben es, unterschiedliche Tools für unterschiedliche Zwecke zu nutzen und gewissermaßen je nach Anlass den „Raum“ zu wechseln. Wo liegt der gemeinsame Nenner? Eine Frage, die die Teams für sich unterschiedlich beantworten und dabei gute Kompromisse finden werden. 

Rebecca Clarke bringt das auf persoblogger.de so auf den Punkt:

Es gilt also nicht, die hybride Zukunft der Arbeit in die analoge Kultur zu integrieren, sondern vielmehr Prozesse zu entwickeln, wie die alten Strukturen in das neue Paradigma „hybride Arbeit” integriert werden können.“

Vorteile und Stolpersteine hybrider Arbeit

 

Hybride Arbeit – die Vorteile: 

  1. Höhere Produktivität durch konzentrierteres Arbeiten.
  2. Wenn für Mitarbeiter:innen der Weg ins Büro entfällt, spart dies Zeit und CO2 und reduziert Stress, der durch unpünktlichen ÖPNV oder Staus entsteht. 
  3. Wenn die Distanz zwischen Wohnort und Büro nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, erschließt das für Unternehmen wie Mitarbeiter:innen neue Möglichkeiten. Dies erhöht sowohl Arbeitgeberattraktivität als auch Mitarbeiterzufriedenheit: Es vergrößert die Möglichkeit, unabhängiger vom Standort einen wirklich passenden Job zu finden und bietet zudem die Flexibilität für Workation.  
  4. Introvertierte Mitarbeiter:innen können sich remote oft leichter in Diskussionen einbringen als bei physischen Meetings. 
  5. Erweiterte Möglichkeiten für Rekrutierung - sowohl ortsunabhängiger als auch in Bezug auf Vielfalt: Der Aufwand des Arbeitswegs oder die nicht barrierefreie Ausstattung im Unternehmen verhindern dann nicht mehr den Einsatz eines Mitarbeiters. 
  6. Es ist schwer davon auszugehen, dass auch in Zukunft Pandemien auftreten werden (abgesehen davon, dass die jetzige noch nicht vorbei ist): Unternehmen, die bereits hybrides Arbeiten etabliert haben, können sich auf dann geltende Rahmenbedingungen blitzschnell einstellen.

„Indem wir uns vom physischen Büro und dem alten nine to five lösen, öffnen wir die Türen für eine vielfältigere Belegschaft – in Bezug auf Perspektiven, Herkunft und Erfahrungen. Zu lange hat unsere bürozentrierte, zeitlich starre Arbeitsweise nur diejenigen gestärkt, die über mehr Privilegien und Ressourcen verfügen, und zwar auf Kosten derjenigen, die bereits mit den Einschränkungen des Systems zu kämpfen haben. Dank Hybrid Work müssen Menschen mit körperlichen Einschränkungen keinen beschwerlichen Arbeitsweg mehr auf sich nehmen und Alleinerziehende können ihre Arbeitszeiten flexibel anpassen. Von digitalen Meetings und asynchronem Informationsaustausch profitieren auch introvertierte Kolleginnen und Mitarbeiter, denen es in physischen Meetings oft schwer gefallen ist, sich einzubringen.“ So Dawn Sharifan, Vice President of People Operations bei Slack im Human Resources Manager 4/2022

Stolpersteine in der hybriden Arbeitswelt

  1. Team-Silos bilden sich, die Vernetzung zwischen den Teams geht zurück.
  2. Die Führung verfällt ins Mikromanagement oder erzeugt Orientierungsschwierigkeiten durch zu große Unbestimmtheiten. Beides führt dazu, dass die Produktivität insgesamt sinkt. 
  3. Mitarbeiter:innen tun sich schwer, Beruf und Privates zu trennen, dadurch entsteht Stress. Gerade bei Mitarbeiter:innen ohne Partner:innen und/oder Kinder kann sich ein Gefühl der Vereinsamung einstellen – die Gefahr der Entgrenzung ist hier ebenfalls größer. 
  4. Die Kreativität sinkt, weil noch die Erfahrung fehlt, wie sich kreativitätsfördende Formate digital realisieren lassen.
  5. Vorwiegend remote arbeitenden Mitarbeiterinnen werden abgehängt, ihre Leistungen werden niedriger eingeschätzt, weil sie ja „nicht da“ sind. Informationen fehlen ihnen, weil diese nebenher im losen Kontakt im Büro ausgetauscht werden. 

Wer sich dieser Stolpersteine bewusst ist, kann auch aktiv gegensteuern. Wer überwiegend oder komplett remote arbeitet, ist gut beraten, bewusst und strategisch zu kommunizieren. Tipps dazu finden sich in diesem Artikel "Homeoffice: Eine Frage der Haltung".

Worum es jetzt geht, um das volle Potenzial der hybriden Arbeit im Unternehmen zu heben 

  1. Reflektieren, was bisher gut gelang und an welchen Stellen es aus welchen Gründen gehakt hat. Das schließt ein, zu analysieren, welche Widerstände auftraten. 
  2. Aus dieser Analyse ableiten, wo Entwicklungspotenzial für Hybrid Work liegt. 
  3. Sich darauf zu einigen, was auf welche Art zu verändern ist. 
  4. In diesem Zusammenhang Räume und Rollen im Team und im gesamten Unternehmen neu denken.
  5. Schritt für Schritt anzugehen, was in puncto Technik, Transparenz, Verbindlichkeiten, Verbundenheit etc. für hybrides Arbeiten im Unternehmen zu verändern ist.
  6. Erkennen, dass die Führung von hybriden Teams bedeutet, remote zu führen. Denn nur so können gleichberechtigte Interaktionen sichergestellt werden.

Es empfiehlt sich sehr, alle Maßnahmen, die Sie in diesem Zusammenhang umsetzen, regelmäßig zu evaluieren und alle Vereinbarungen für eine Testphase von 2 bis 3 Monaten zu treffen. So lässt sich gezielt nachjustieren. 

Haltung und geteilte Werte als Grundlage für ein hybrides Arbeitsmodell 

Womit wir bei den zwei großen Themen sind, die wir bei SHORT CUTS für die Entwicklung von Unternehmen beleuchten: Haltung und Werte.  

Haltung entscheidet - besonders im hybriden Kontext

Je weiter sich die persönliche Reife der einzelnen Personen bereits entwickeln konnte, ums so mehr gelingt der souveräne Umgang mit der komplexeren Arbeitssituation. Diese Entwicklung ist immer freiwillig. Wer sich dafür entscheidet, erfährt, dass ihm zunächst die Selbstführung und später auch die Führung anderer mehr und mehr gelingt. Wesentlich dafür ist ein guter Kontakt zu sich selbst und die Fähigkeit zur regelmäßigen Selbstreflexion. Mehr dazu finden Sie im Artikel "Selbstführung – Leadership für sich selbst übernehmen".

Mit unseren Kulturexpeditionen geben wir in Unternehmen gezielte Impulse zur Selbstentwicklung, die sich von dort aus in die Teams und die gesamte Organisation fortsetzen kann. Einzelheiten dazu erfahren Sie bei Martin Permantier. 

Gemeinsame gelebte Werte: Für das hybride Arbeiten essenziell

Wenn die gemeinsamen Räumlichkeiten nicht länger den Rahmen für die Zusammenarbeit stellen, kommt es umso mehr auf die Unternehmenskultur an. Werte, die von allen geteilt werden, schaffen Orientierung und Verbundenheit.
Ein eher spielerischer Ansatz kann sein, sich in drei Schritten (persönlich, als Team und als ganze Organisation) im Wertetarget zu verorten und über geteilte und unterschiedliche Einschätzungen ins Gespräch zu kommen. 

Unser Poster “Wertetarget” samt Anleitung können Sie hier gratis bestellen.

Ganz gezielt und systematisch gehen wir Ihren gemeinsamen Werten im Prozess der Werteentwicklung auf den Grund. Bewusst gelebte, echte Werte sind eine wertvolle Kraft und wichtige Grundlage für sinnerfüllten Erfolg und kontinuierliche Entwicklung. Das ist unsere Erfahrung aus über 20 Jahren Arbeit mit und für Unternehmen unterschiedlicher Größe sowie aus diversen Branchen.
In unübersichtlichen Zeiten spüren wir ganz besonders, wie wichtig die orientierende und stärkende Wirkung von Werten ist – ganz besonders, wenn es um Führung, Teamentwicklung, Mitarbeitermotivation oder Arbeitgebermarke geht.

Gerne beleuchten wir mit Ihnen, wie wir einen solchen Prozess – speziell auf Ihr Unternehmen zugeschnitten - gestalten können. Mail genügt!

7 Tipps für hybride Zusammenarbeit

  1. Führung: Hybride Teams zu führen heißt remote zu führen und – wie es Teresa Hertwig von GetRemote formuliert – „als Zuckerl von den Präsenzvorteilen zu profitieren.“ 
  2. Kommunikation: Damit die Mitarbeiter:innnen Zeit haben sowohl für die wirkliche Arbeit als auch für die Verbundenheit, empfiehlt es sich, einen digitalen Raum für asynchrone informelle Kommunikation zu schaffen und mit Leben zu füllen.  Auch Routinen wie das tägliche 15minütige Daily (wer macht was, wer braucht Unterstützung, wer hat freie Kapazitäten und kann etwas übernehmen) bewähren sich sehr. 
  3. Kreativität kann sich umso besser im digitalen Raum entfalten, je routinierter der Umgang mit Tools ist. Digitale Whiteboards oder der Einsatz von Virtual Reality unterstützen dann ganz natürlich den Einsatz der geläufigen Kreativitätstechniken. Hervorragende Empfehlungen für Meetings und Workshops liefert Harald Schirmer in seinem Artikel "Hybrides Arbeiten funktioniert nicht – oder vielleicht doch?". 
  4. Bei aller Flexibilität klar zu unterscheiden zwischen „Arbeiten“ und „Nicht-Arbeiten“ und diese Zeiträume eindeutig und für die anderen transparent zu definieren. Das trainiert gerade bei allein lebenden Mitarbeiter:innen die Selbstdisziplin. Helfen kann dabei das Wissen, dass Pausen essenziell sind für die aktuelle wie langfristige Leistungsfähigkeit. Das beinhaltet, dass Führungskräfte nicht davon ausgehen sollten, zu jeder Tages- oder gar Nachtzeit postwendend eine Antwort zu bekommen. 
  5. Für Bewegung sorgen: Der Spaziergang ist ein unterschätztes Format für Besprechungen wie auch für Pausen. Wer sich nicht vor der Arbeit zum Joggen, Schwimmen oder ähnlichen Aktivitäten aufraffen kann: Eine Runde im Park in der Mittagspause tut's auch und: Nicht für jede Besprechung braucht es ein Videomeeting. 
  6. Die Leistungen sichtbar machen - und zwar aller Mitarbeiter:innen für alle. Sei es durch die Nutzung von Trello-Boards oder ähnlichen Zusammenarbeits-Tools oder durch den Einsatz von Zielmanagement-Methoden wie OKR. 
  7. Silent Work über Teamgrenzen hinweg wirkt sowohl etwaiger Silo-Bildung als auch dem Gefühl der Vereinsamung entgegen. So funktioniert es: Zwei oder mehr Mitarbeiter:innen verabreden sich in einem Videocall. Jede Person stellt in max. einer Minute vor, woran sie in der nächsten Stunde arbeiten will. Es folgen 50 Minuten konzentrierter Arbeit an den individuellen Aufgaben.
    Gemeinsam im virtuellen Büro zu arbeiten, stärkt dabei Motivation und Effizienz - Menschen mit Coworking-Erfahrung kennen das Phänomen. Die letzten Minuten gehören dem Austausch über das, was geschafft wurde - und vielleicht trifft die Gruppe ja auch gleich eine neue Verabredung.  Wie das auch über das eigene Unternehmen hinaus funktioniert, schildert ein Erfahrungsbericht im manager magazin.

Das Schlusswort gebührt Simon Sinek, der prägnant auf den Punkt bringt, was für das hybride Modell von Zusammenarbeit ganz besonders gilt: 

"A team is not a group of people who work together.
A team is a group of people who trust each other.

Gerne unterstützen wir Sie dabei hybride Zusammenarbeit in Ihrer Organisation erfolgreich zu etablieren!

PS: Diesen Artikel könnte ich wöchentlich erweitern und will daher noch eine absolute Leseempfehlung geben: Erkenntnisse, Ideen und Konzepte für die erfolgreiche Gestaltung einer hybriden Arbeitswelt vermittelt die im Juni 2022 erschiene Fraunhofer-Studie "Connected Work Innovation Hub"