Wie kann digitale (Zusammen-)Arbeit funktionieren?

Was sind die Merkmale einer Führung und Kultur, die digitales Zusammenarbeiten erfolgreich machen?

Beitrag zur Blogparade #digitalArbeiten

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1. Wann funktioniert Zusammenarbeit?

Beginnen wir mit den Voraussetzungen für gelingende Zusammenarbeit ganz allgemein. Simon Sinek bringt das so auf den Punkt: 

"A team is not a group of people who work together.
A team is a group of people who trust each other."

Dies gilt fürs die digitale (Zusammen)Arbeit noch mehr als fürs Arbeiten am gleichen Ort. Wie Vertrauen entsteht, ist ein vielschichtiger Prozess. Drei für die Unternehmensrealität wesentliche Elemente möchte ich herausgreifen: 

  1. Die Gewissheit, in einem Unternehmen zu arbeiten, das Werte nicht nur proklamiert, sondern tatsächlich lebt. Plus: Diese Werte passen zu den persönlichen Werten.
  2. Ein gewisser Grad an Persönlichkeitsentwicklung. Auf der einen Seite bei den Führungskräften, die vertrauenswürdig sind und Vertrauen schenken können. Dies setzt eine Haltung voraus, die über "command & control" hinausgewachsen ist. Auf der anderen Seite bei den Mitarbeitenden, die einen Grad an Selbstorganisation erreicht haben, der es ihnen erlaubt, digital gut arbeiten zu können. (Dazu kommen dann natürlich noch Skills & Technik) 
  3. Ein gemeinsamer Sinn, der das Gefühl vermittelt, dass alle an einem Strang ziehen und für ein gemeinsames Ziel arbeiten. Mögen Weg und Weise vielleicht auch individuell unterschiedlich aussehen. 

Auf Werte, Haltung und Sinn kommt es also an! Das mag oberflächlich betrachtet, altmodisch wirken, trifft aber des Pudels Kern. Auf Englisch klingt es für deutschsprachige Ohren auch gleich besser: Values, Mindset & Purpose. 

2. Wie kommt ein Unternehmen dahin? 

Bevor ich auf die Themen Werte und Haltung näher eingehe, zunächst einmal die Kurzzusammenfassung

  1. Gemeinsame gelebte Werte identifizieren und sichtbar machen.
    Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Wir machen sehr gute Erfahrungen mit der ebenso wissenschaftlich fundierten wie praxistauglichen Methode der Werteentwicklung. Mit ihr werden Werte sichtbar, besprechbar und vermittelbar.  
     

  2. Die eigene Haltung reflektieren.
    Visualisierung kann dabei eine große Hilfe sein - unser Modell der 6 Haltungen führt oft zu interessanten Aha-Erlebnissen, initiiert Austausch und wirkt motivierend. 

  3. Menschen wollen für einen Sinn arbeiten. 
    Bei Unternehmen, die schon länger existieren, ist dieser Sinn oft nicht mehr präsent. Um das "Warum" eines Unternehmens ans Licht zu bringen, bewährt es sich, Führungskräfte und Mitarbeiter nach Geschichten zu fragen, die für ihr Unternehmen typisch sind. Auf diese Weise werden die tatsächlich gelebten und geteilten Werte wieder sichtbar. Sinn verbindet alle im Unternehmen, egal an welchem Ort sie arbeiten. 

Jetzt geht´s ins Detail! 

 

3. Gelebte Werte geben Orientierung und entlasten Führung

Gemeinsame Werte sind eine wesentliche Grundlage dafür, dass Zusammenarbeit funktioniert. 

Die bloße Verkündung von Werten durch das Management führt allerdings nicht dazu, dass die damit verknüpfte Kultur gelebt wird. Ein weithin bekanntes Phänomen. Werte entfalten Ihre Wirkung nur, wenn sie wirklich gelebt werden, ob innerhalb einer Unternehmenskultur  - insbesondere durch die Führungskräfte als Vorbilder - oder in unserer Gesellschaft insgesamt. 

Unser Wertetest erfasst deshalb auch die intuitiven Anteile. So können Unternehmen feststellen, ob sie die Kultur, auf die sie Wert legen, vom Mitarbeiter bis zur Führungskraft und zurück bereits leben. Ist dies der Fall, können sie ihre Unternehmenskultur strategisch einsetzen - für die Entwicklung der Führungskultur, die Stärkung der Arbeitgebermarke und die Positionierung ihrer Marke.

Die Ergebnisse des Wertetests machen wir in unserem Wertetarget sichtbar: Damit entsteht Transparenz und Kommunikation wird möglich: Mitarbeiter und Führungskräfte aller Ebenen können sich über unterschiedliche Wahrnehmungen austauschen. Auf dieser Grundlage lassen sich Führungskultur und Unternehmenskultur gezielt entwickeln. 

Ob in einem Unternehmen oder in unserer Gesellschaft: Erlebnisse zu schaffen, in denen Werte erlebt werden können, ist weitaus wirkungsvoller, als theoretisch Werte zu vermitteln.

Aktualisierung Mai 2020: Unser Wertetarget gibt es jetzt auch als Poster. Gratis und mit Anleitung! So können Sie erste Erfahrungen mit unserer Methode sammeln. 

 

4. Viva la Selbstreflexion!

Der eigenen Haltung auf die Spur zu kommen, ist der nächste wichtige Schritt für alle Menschen im Unternehmen.

Es geht darum, die Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, denn die persönliche Entwicklung ist zentrale Voraussetzung für die Entwicklung von Team und Organisation. Besonders wichtig ist dies in der Führungskräfteentwicklung. Als Unterstützung für diese Selbstreflexion haben wir 12 Satzanfänge zusammengestellt, die Sie so ergänzen können, wie es sich für Sie richtig anfühlt. Probieren Sie es einfach aus!  

Es geht beim Thema Haltung nicht um den xten "Change" im herkömmlichen Sinn, sondern um eine evolutionäre Entwicklung des Führungsstils und der Unternehmenskultur. Es geht also immer um den jeweils nächsten Schritt vom individuellen Ausgangspunkt aus. Zunächst brauchen wir ein emotionales Referenzerlebnis für die nächste Haltung, dann muss die nächste Haltung trainiert und gefestigt werden. Erst dann ist die Zeit gekommen, in einem weiteren Schritt die wiederum nächste Haltung zu trainieren und zu verankern usw. Je nach persönlicher Verfasstheit und Rahmenbedingungen nimmt das mehr oder weniger Zeit in Anspruch. 

Jede Haltung inkludiert die vorangegangen Haltungen. In kritischen Situationen fallen wir oft eine oder mehrere Haltungen zurück. Dann kommt es darauf an, wieder in die Haltung zurückzufinden, die wir bevorzugen. 

Eine wesentliche Grundlage für unser Modell der sechs Haltungen sind die wissenschaftlichen Erkenntnissen von Jane Loevinger zur Ich-Entwicklung. Unsere Weiterentwicklung für den Kontext Führung und Unternehmenskultur verstehen wir als Angebot, sich selbst zu erforschen und neue Standpunkte und Betrachtungsweisen auszuprobieren.Die einzelnen Haltungen lassen sich kurz so skizzieren: 

Die Selbstorientierte Haltung
Der eigene Vorteil steht im Vordergrund des Handelns, Feedback wird zurückgewiesen und schuld sind auf jeden Fall die anderen. Agiert wird kurzfristig und kurzsichtig agiert. Die Führung ist geprägt von der Mentalität von „hire and fire“.

Die Gemeinschaftsbestimmte Haltung

Hier sind Regeln und Normen wichtig. Auf das Einhalten von Vorschriften und auf Loyalität wird großer Wert gelegt. Gedacht wird in Kategorien von „entweder/oder“ statt und es kommt darauf an, stets das Gesicht zu wahren. In Unternehmen sind feste Stellenprofile ein Kennzeichen dieser Haltung. 

Die Rationalistische Haltung 
Die Effizienz hat hier Priorität, im Mittelpunkt steht deswegen die permanente Prozessoptimierung. Rationales Denken und kausale Erklärungen bestimmen das Handeln. Kontrolle ist eine wichtige Aufgabe des Managements, das überwiegend durch feste Vorstellungen geprägt ist. Homeofficeist unter diesen Bedingungen eher Problem als Option. 

Die Eigenbestimmte Haltung 
Menschen in der eigenbestimmten Haltung sind selbstbewusst und haben Respekt vor individuellen Unterschieden. Führungkräfte in dieser Haltung fördern die Motivation ihrer Mitarbeiter und sind innovativ.

Die Relativierende Haltung 
Menschen in dieser Haltung reflektieren ihre eigene Sicht auf die Dinge, sie haben eine höheres Bewusstsein für Konflikte. Ihre individuelle, persönliche Art zeichnet sie aus. Eine Führungskraft in dieser Haltung erkennt die eigene Vielheit und kann und empathisch führen. 

Die Systemische Haltung
Diese Haltung ist gekennzeichnet durch eine ausgebildete Multiperspektivität und die Fähigkeit, Beziehungen systemisch zu erfassen. Menschen in dieser Haltung verfügen über eine hohe Kenntnis von sich selbst und der eigenen Rolle. Die Motivation zur eigenen persönlichen Weiterentwicklung ist hoch. Menschen in dieser Haltung erkennen, aus welcher Haltung heraus ihr Gegenüber agiert und können ihr Verhalten dementsprechend modulieren. Das verbessert das Ergebnis und macht Weiterentwicklung möglich. 

In unserem Buch "Haltung entscheidet: Führung und Unternehmenskultur zukunftsfähig gestaltenstellen wir die Haltungen und ihre Wirkungen mit vielen Beispielen aus der Praxis umfassend und anschaulich vor. 

5. Wie lassen sich Werte, Haltung und Sinn langfristig etablieren? 

  1. Auf allen Ebenen Entwicklung fördern: Persönlich, im Team und in der Organisation. 
  2. Bei der Auswahl neuer Kollegen darauf achten, dass deren Werte und Haltung zur Unternehmenskultur passen. 
  3. Führungspositionen an Menschen vergeben, deren Haltung geprägt ist von "Das für jeden jeweils Förderliche". 
  4. Haltung und Werte täglich leben, in regelmäßigen Abständen prüfen und ggfs aktualisieren. 


6. Warum jedes Unternehmen von der Werteentwicklung profitiert

Unternehmen, die sich konsequent auf diesen Weg machen, werden nicht nur im Bereich digitale Arbeit profitieren.

Sie sorgen damit auch dafür, dass sie insgesamt agiler und innovativer agieren können und attraktiver auf Fachkräfte wirken. 

Warum dies so ist, wird klar, wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Erkenntnisse wir gewonnen haben und welchen Herausforderungen wir uns gegenüber sehen:

  1. Wir leben in zunehmend komplexeren und miteinander interagierenden Systemen, die hohe Anforderungen an unsere Fähigkeiten stellen. 
  2. Wir sind gut beraten, uns darauf einzustellen, dass immer wieder und häufiger als bisher unvorhergesehene Ereignisse eintreten. 
  3. Wir werden innovativer und erzielen bessere Ergebnisse, wenn wir das Wissen, Können und Engagement aller nutzen können.
  4. Wir stehen in der Verantwortung, ethische Fragen zu klären. 
  5. Wir tun gut daran, die Gefahr der Selbstausbeutung möglichst gering zu halten.
  6. Wir wissen, dass Entwicklung dann möglich wird, wenn sich Menschen sicher fühlen und Fehler nicht als Katastrophe betrachtet werden.
  7. Wir sind uns darüber klar, wie wichtig es ist, in unsicheren Situationen handlungsfähig zu bleiben. 
  8. Wir sind uns bewußt, dass in der hochdynamischen Welt, in der wir leben, lebenslanges Lernen der Normalfall ist. Dazu gehört, dass sich Arbeitsweisen und Prozesse immer wieder verändern werden. 

Mit Control & Command ist also kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Nur eine Unternehmenskultur, die eine Klarheit über ihre Werte, ihre Haltung und ihren Sinn vermittelt, kann die notwendige Dynamik entwickeln, um unter diesen Bedingungen erfolgreich agieren zu können. Ob die Menschen sich nun real oder virtuell gegenübersitzen. 

Alle Beiträge zur Blogparade digitalArbeiten gibt´s hier.

Wie lässt sich Selbstorganisation in der Praxis etablieren? 

Zu dieser spannenden Frag liefern zwei Podcastfolgen reichlich Inspiration: 

Die itacs GmbH auf ihrem Weg zur Selbstorganisation

 

Selbstorganisation im Mittelstand – der Weg der Alois Heiler GmbH