Warum Innovation sichere Räume braucht

Der Cocoon Effekt

Wenn wir uns mental auf ungewisses Neuland einlassen wollen, müssen wir uns emotional sicher fühlen. So sicher, dass wir bereit sind, Risiken einzugehen.
Wenn wir Kreativität jenseits bekannter Lösungen und der begrenzenden Denkrahmen „outside the box“ zulassen wollen, brauchen wir geschützte Räume, die uns erlauben, groß zu träumen. Wie können wir diese Räume auch in Unternehmen schaffen?

Der Weg zum Schmetterling
Wenn die Raupe den evolutionären Druck sich zu transformieren spürt, spinnt sie einen Kokon und zieht sich in diesen geschützten Raum zurück. Fast der gesamte Organismus löst sich auf. Aus dieser gallertartigen Masse entwickeln sich neue Zellen – so genannte Imago-Zellen. Diese repräsentieren schon die Qualitäten des Schmetterlings, werden jedoch zunächst vom Immunsystem der Raupe angegriffen. Erst wenn diese Imago-Zellen anfangen sich miteinander zu verbinden und Cluster bilden, haben sie eine Chance sich durchzusetzen. Das System kommt an einen Wendepunkt. In einem exponentiellen Emergenzprozess entsteht aus den Imago-Zellen ein völlig neues Wesen, welches mit der Raupe nicht mehr viel gemeinsam hat – der Schmetterling.

Diesen biologischen Prozess auch als Metapher für die Transformation von Organisationen zu nutzen, ist naheliegend. In fast allen Unternehmen gibt es einzelne Mitarbeiter und Führungskräfte, die ein neues Bewusstsein (z.B. agil) und andere Werte (z.B. Vertrauen, Verbundenheit) verkörpern. Diese Menschen haben es jedoch oft nicht leicht. Häufig verlassen sie früher oder später das Unternehmen, da ihre Werte nicht mit dem Bewusstseinschwerpunkt des Unternehmens kompatibel sind. Gerade diese Intrapreneure, Pioniere und Querdenker sind jedoch wichtige Treiber für Innovationen und organisationale Erneuerung.

Wir müssen also in Organisationen zunächst für genau diese Menschen Schutz- und Freiräume schaffen. Damit schaffen wir einen Anreiz, in der Organisation zu bleiben (siehe hierzu auch den treffenden Artikel von Manfred Höfler). In diesen geschützten Räumen können sich die Pioniere gegenseitig bestärken, ermutigen und ermächtigen und gemeinsam Lösungen entwickeln. Auf diese Weise können sie in ihrem jeweiligen Einflussbereich positiv auf die gesamte Organisation wirken und so ein neues Bewusstsein und einen Wertewandel unterstützen.

Was macht einen sicheren Raum aus?
Der organisationale Alltag ist für viele Menschen oftmals leider kein Ort, an dem sie sich als ganzer Mensch willkommen und sicher, geschweige denn gewertschätzt fühlen. Werden wir nur als Human Resources gesehen, dann bringen wir auch nur diesen begrenzten Anteil unserer Selbst ein. Wir sind aber so viel mehr als nur unsere rein rationale Arbeitskraft. Wir sind emotionale Wesen mit weiblichen und männlichen Anteilen. Wir schwanken in unseren Stimmungen und unserer Leistungsfähigkeit. Wir haben individuelle Vorlieben, Stärken und Schwächen. Und jeder von uns bring ein gutes Paket an emotionalen Verletzungen und Traumatisierungen mit, die in den seltensten Fällen am Arbeitsplatz willkommen sind.

„Extraordinary things begin to happen when we dare to bring all of who we are to work.”
– Frederic Laloux, Reinventing Organizations

Wann lernen wir, uns ohne Masken zu begegnen? Wenn wir es schaffen, Räume zu kreieren, in denen wir in unserer Ganzheit sein dürfen – auch mit unseren Verletzungen, Herausforderungen und Schwächen. Dies hat drei wesentliche Effekte zur Folge: Wir lernen erstens, dass Verletzlichkeit nichts mit Schwach sein zu tun haben muss. Wir merken zweitens, wie viel Energie wir in der Regel konstant dafür aufwenden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden. Und wir können uns drittens entscheiden, diese Energie in unsere Produktivität und Schaffenskraft zu lenken.

Wenn wir die Erlaubnis haben, mit unseren „negativen“ Gefühlen da zu sein, erlauben wir uns auch mehr, mit unseren „positiven“ Gefühlen da zu sein: Mit unserer kindlichen Neugierde, Freude und spielerischen Kreativität.

Diese Räume können für viele zunächst herausfordernd und ungewohnt sein. Mit der richtigen Begleitung wird jedoch deutlich, wie groß die Sehnsucht nach Öffnung und Verbundenheit in einem neuen auf Wertschätzung und Respekt basierenden Miteinander ist. Und genau mit diesen intrinsisch motivierten Menschen lohnt es sich anzufangen und konkrete Angebote zu machen.

Es ist kein einfacher Weg. Er erfordert Mut und die Bereitschaft, sich auf das Nichtwissen ergebnissoffener Prozesse einzulassen. Der oft bestehende Leidensdruck und die Hoffnung auf eine ganz neue Form des Seins und Arbeitens können Motivationsressourcen für die Reise sein. Und am Ende wartet der Schmetterling darauf, in ungeahnter Kraft und Schönheit seine Flügel auszubreiten.

Cocoon – A Safe Space For Courageous Innovators
Cocoon ist eine kraftvolle Community, die sich um ein 3-monatiges Gruppencoaching-Programm formt. Das Programm unterstützt Unternehmer, Freiberufler, Innovatoren, Künstler und Vordenker dabei, ihren großen Traum in die Welt zu bringen. Beginn: 11. April 2018, 6 Termine, alle 2 Wochen im cocreation.loft Berlin
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Nachtrag
Im Februar 2020 waren wir mit einem Gastbeitrag im Blog von Leadership³: "Wie schaffen wir die Voraussetzungen für eine gelingende kollektive Führung?


Ebenfalls im Februar 2020 war Jonathan Klodt bei uns im Podcast zu Gast und sprach mit Maike Schäbitz über Wege zu kollektiver Führung und geschützte Räume als Orte für persönliche Entwicklung.