Unternehmenskultur verstehen – ein Buchtipp

Buchrezension „Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur“ von Christina Grubendorfer, erschienen im Carl-Auer Verlag Compact.

Um es vorweg zu sagen: Ich mag dieses kleine theoretische, fast schon philosophische Buch über Unternehmenskultur. Die langjährige systemische Beraterin Christina Grubendorfer entfaltet in diesem Buch ein Konzept, das es ermöglicht, sich dem Phänomen Unternehmenskulturen zu nähern.

Viele Berater – so auch ich – kennen dieses Phänomen. Wir lernen viele Unternehmen von innen kennen und wundern uns manchmal über die überaus unterschiedlichen Kulturen, die dort herrschen. Während man sich in einem Unternehmen konsequent duzt, noch spät Abends zusammen am Kicker steht, extrem dynamisch und schnell unterwegs ist, erscheinen andere Unternehmen traditionell, förmlich, mit Siezkultur und gegebenenfalls distanziert im Umgang miteinander.

Erfahrene Berater bekommen schnell ein Gefühl für die spezifische Kultur eines Unternehmens und lernen sich darin zu bewegen. Wie aber kann man das Entstehen und Verändern einer solch gewachsenen Kultur verstehen? Darum geht es in diesem Buch.

Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur

Hier fasse ich ein paar interessante Thesen aus dem Buch zusammen:

1. Jedes Unternehmen hat eine Kultur

Jedes Unternehmen hat oder ist demnach eine Kultur, je nach Betrachtungsweise.
So wie es keine Zeit ohne Wetter gibt, gibt es auch keinen kulturfreien Raum.

2. Unternehmenskultur wird immer wichtiger,

da durch den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel die Arbeitnehmer eine größere Macht bekommen und ihre Wahlmöglichkeiten nutzen.

3. Kultur erleichtert Kommunikation

Die Kultur offeriert den unsichtbaren Handlungsrahmen, indem Verhalten erst eine Bedeutung bekommt. Dasselbe Verhalten kann in einem Unternehmen erwünscht und in einem anderen Unternehmen als Affront verstanden werden. Das einvernehmliche Wissen über die Kulturregeln sorgt dafür, dass die Akteure die Bedeutung eines Verhaltens nicht ständig neu aushandeln müssen und macht das Leben, Arbeiten und Kommunizieren in Unternehmen leichter.

4. Unternehmenskultur als Summe seiner Spielregeln

Unternehmenskultur kann man als eine Ansammlung verschiedener Spielregeln betrachten, von denen die meisten nirgends aufgeschrieben wurden, aber dennoch eine große Wirkkraft entfalten. Häufig sogar die Entscheidende! Wer mitspielen will, muss diese Regeln kennen und befolgen. Verstößt etwa ein Akteur im Kulturspielfeld gegen eine ungeschriebene, manchmal sogar unausgesprochene Regel, kann dies zu einer Kündigung führen, für die dann einfach nur noch sachliche Argumente gesammelt werden. Dass diese Regeln tatsächlich existieren, bemerken viele Akteure erst, wenn sie sie unbewusst überschreiten. Die Regeln werden durch Imitation und Beobachtung gelernt – worin manche Menschen geschickter sind als andere.

Fragen, die man stellen kann, um diesen Regeln auf die Spur zu kommen sind etwa:

  • Was muss man hier tun, um bei den Kollegen einen guten Stand zu haben?
  • Was ist typisch für dieses Unternehmen (Verhalten, Wortwahl, Prozesse etc.)
  • Was muss man machen, wenn man ein hohes Ansehen beim Chef haben möchte?
  • Was muss man tun, um hier rauszufliegen?
  • Welche Fettnäpfchen sollte man hier unbedingt vermeiden?

5. Entscheidungen sind die Grundlage der Kultur

Nicht Mitarbeiter, Führungskräfte, Techniken oder Gebäude kreieren die Kultur sondern Entscheidungen, oder vielmehr die Entscheidungsprämissen. Im Laufe der Zeit entsteht in einem Unternehmen eine Art Leitsystem für Entscheidungen, an dem sich die Mitarbeiter orientieren. Diese Prämissen sind im Kern Verhaltenserwartungen in Bezug auf zu treffende Entscheidungen im Unternehmen. Es ist jedem unausgesprochen klar wie er sich in bestimmten Situationen zu entscheiden hat.

6. Unternehmenskultur kann man nicht direkt beeinflussen

Entgegen mancher Versprechungen kann die Kultur nicht einfach per Anordnung verändert werden, denn Kulturen entwickeln sich meist aus der Unternehmensgeschichte heraus. Es ist sogar eher so, dass einige Unternehmenskulturen bremsend auf Innovationen und Veränderungen wirken können.

So mancher Berater hat schon einmal erlebt, wie Fusionen oder Unternehmenszukäufe an den unterschiedlichen Kulturen gescheitert sind. Also muss man immer mit den Mechanismen der Kultur rechnen, wenn man etwas verändern möchte.

Kulturveränderung kann demnach nur im Kontext der gewünschten Zukunft des Unternehmens angegangen werden, also in Kombination mit der Unternehmensstrategie.

Christina Grubendorfer

Der Autorin gelingt es auf anregende Weise das Thema Unternehmenskultur zu beleuchten.
Das Buch ist auch mit einigen interessanten Beispielen aus unterschiedlichen Branchen und Kulturen gespickt, so dass die theoretischen Aspekte belebt und veranschaulicht werden.

Insgesamt finde ich das Buch für Berater und interessierte Personaler sehr relevant, auch wenn es keine Rezepte oder praktischen Handlungsanweisungen vermittelt. Es ist eine angenehme Reflexionshilfe, die man gut und gerne im Berateralltag zur Hand nehmen kann.

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